
15 Schülerinnen und Schüler fuhren für eine Woche nach Oświęcim in Polen und beschäftigten sich in Rundgängen, Führungen, Workshops und Reflexionsrunden mit den Themen Nationalsozialismus, Antisemitismus, Menschenrechte und den Verbrechen des Nationalsozialismus. Neben neuen Erkenntnissen, erschreckenden Erlebnissen und vielen neuen Fragen fahren wir auch mit neuen Bekanntschaften und sehr schönen Momenten wieder nach Hause. Im Rahmen der Workshops sind verschiedene Arbeiten entstanden, von denen wir hier drei Vorstellen möchten.
Rede über Auschwitz. Von Nino König, Klassenstufe 10
Liebe Schüler, Lehrer und Betreuer,
mein Name ist Nino und ich besuche zurzeit die 10. Klasse.
Ich bin heute hier, um die dunkle und erschreckende Wahrheit über Auschwitz zu erzählen, dabei versuche ich euch in ein paar harten Sätzen die Zeit in Auschwitz näher unter die Haut zu bringen. „Mir ist es sehr wichtig, dass jeder für einen kurzen Moment die Ruhe genießt und sich glücklich schätzt heute hier mit Leben und Freiheit sitzen kann.“
Ich ging durch ein Tor, was mir sehr schnell die Augen öffnete, da ich dies bisher nur in Filmen oder auf Fotos sah, dieses Gefühl durch ein Tor zu laufen, wo so viele unschuldige Menschen hineingelaufen sind, diesen Weg aber nie wieder nach draußen verlassen zu haben. Ist glaube ich, für alle hier im Raum sehr erschreckend und kaum in Worte zu fassen.
Ich lief durch Zimmer, berührte kalte Wände und spürte immer noch diese düstere und qualvolle Angst der Menschen. Ich sah Prothesen von Behinderten Personen, Tonnen an Haaren und Massenhafte Anzahl von getragenen Schuhen.
Was mich sehr tief getroffen hatte war, als ich die Kleidung von Babys sah und mir da erst so richtig klar geworden ist, wie viele Menschen eigentlich sinnlos ihr Leben verloren haben und konnten gar nichts dagegen unternehmen. Ich frag mich nur, wie man Familien zerrreisen konnte und sie schließlich ausrotten konnte.
„Denke nicht, dass du nichts tun kannst. Jeder Mensch hat die Verantwortung, etwas zu tun.“

Warum, Wieso, Weshalb?
Ein innerer Monolog von Lisa Schulze, Klassenstufe 10
Unmenschlich und trotzdem von Menschen – ich frage mich wie? Sollten sich nicht die Albträume stauen? Wie beim Täter, wie beim Opfer. Auschwitz 1 – Warum denn 1? Warum gibt es das überhaupt? Wie kann ein Mensch nur so denken? Wie konnte die Familie sich gegenseitig bloß angucken? Ich frage mich, wie ich reagiert hätte, wenn jemand der mir nahe steht, tötet. Würde ich ihn noch lieben? Noch seine Hand halten? So viel gehört und gesehen und doch erschlägt es mich.
Auschwitz. Auschwitz hat sechs Farben. Schwarz, weiß, grau, blau, braun und rot. Es ist Struktur und Chaos in einem. Es war zu viel und doch sehe ich zu wenig. Ich verstehe nicht, wie ein Mensch ohne Hoffnung leben kann. Jeden Tag aufstehen und man sich dann entscheiden muss – lohnt es sich jetzt noch zu kämpfen?
In den Räumen konnte ich spüren, wie sich alles zusammendrückt. Oder war es doch das Geschrei, was ich zu hören vernehmen dachte? Ich sah die vielen Sachen und dachte mir, das ist ein kleiner Teil. Warum kleiner Teil? Warum gibt es überhaupt einen kleinen Teil? Wie kann das ein kleiner Teil sein? Wie konnte so etwas passieren. Wieso denn so viele? Was war der Grund? Was haben sie getan? Ich denke mir auch nur so, was wäre, wenn ich da wäre? Aber ich kann es mir nicht vorstellen.
So wie wenn du dein Zuhause verlassen würdest. Nicht mal begreifst was abgeht. Es nicht schaffst zu packen. Was, wenn ich es nie wieder sehen würde? Keine Ahnung habe, wohin es geht?
Alles, was ich weiß ist – nicht alles wird gut. Und das auch egal wie viel ich jetzt dagegen bin, egal ob ich jetzt etwas dagegen tu. Kann mal jemand sagen, was mit dieser Welt nicht stimmt? Was, wenn es nochmal passiert? Ich habe Angst. Was wenn es dann nicht nur … Nein – was heißt nur? Es war egal, was du für eine Meinung hattest – solange du nicht ihre hattest, war das egal. Und dann denk ich mir wieder, wie stark kann man sein? Wie viel Kraft ist dabei? Wie viel Mut und wie viel Glück? Wie allein kann man sein? Und wie viele Tränen kann man weinen? Wie ist es wohl, wenn alles weg ist? Wenn man alles zurücklässt. Was würde ich tun? Ich weiß es nicht. Wie soll ich es auch wissen? So viele Fragen, sie brennen sich in mein Gehirn. Und ich sehe die Augen. Noch nie dachte ich, Augen sind so wichtig. Sie tun weh. Ich kann den Blickkontakt nicht halten. Mir wird schwummrig, mir wird schlecht.
Warum, wieso, weshalb?
Warum kann das keiner richtig beantworten? Ich möchte, dass es eine Antwort gibt. Ich will sie aber nicht hören. Ich habe Stimmen im Kopf, die mir sagen: „Ach, alles wird gut!“ Und dann bin ich wieder auf dem Grund der Tatsachen. Komplett überfordert. Und wieder kommen Fragen und Fragen. Warum hat es so lange gedauert, um es zu beenden. Warum gab es überhaupt einen Anfang? Warum, warum, warum? Ich weiß es nicht. Ich habe den Drang zu helfen, etwas zu tun. Doch was soll ich machen, ich habe keine Macht.
Ich fühle mich so leer. Ich fühle mich selbst nicht mehr.
Oh, da sind sie wieder. Die Stimmen vieler Menschen. Die heutigen, die aus der Zukunft, und die aus der Vergangenheit. Sie schreien und schreien. Wacht auf! Passt auf! Denn es wird wieder passieren! Liebt euch und einander, wir sind doch alle gleich. Dann schreien die Täter und mein Kopf ist voll. Die Augen sind da, wenn ich meine schließe. Die Trauer, die Hoffnungslosigkeit. Ich frag mich auch, waren alle Täter? Wie viele träumen schlecht? Wie viele schreien heute noch nachts auf? Warum so viele? Warum erst überhaupt welche? Warum so wenig Wissen? Da sind sie wieder, die Fragen in meinem Kopf.
Wieso, weshalb warum?
Und dann sind da wieder die Augen. Diese Augen, sie sind überall. Sie sehen alle gleich aus, auch wenn sie alle andere Vorgeschichten haben. Wie würden meine Augen aussehen? Hätten meine Augen, diese Augen, dasselbe gesehen? Mir war es kalt. Und dann denke ich mir, sie hatten es schwerer. Wie kann ein Mensch … Wie tut ein Mensch … Weil … ?
Kann man das beantworten? Ich glaube nicht. Was ist noch versteckt, was ist noch nicht entlüftet? Ich will es hören und doch plagt mich die Angst es zu hören. Es mir auch nur vorzustellen.
Warum, wieso, weshalb?
Was war mit den Gefühlen los? Mit Mitgefühl und Seele? Warum gab es keinen Ausweg? Nirgends hin zu fliehen? Nirgends ein Zuhause.
Ich habe zwei Familien. Zwei Orte, die ich Zuhause nenne und wenn ich mir vorstelle, alles zu verlieren, was würde ich dann tun?
Ich spüre Angst – die Ausstellung im Klosterkeller, ist Angst. Da sind sie wieder, die Augen, und es wird mir unwohl. Ich will jemanden umarmen. Aber es kann keiner rückgängig machen. Warum denn nicht? – würde mein kleineres Ich denken.
Warum, wieso, weshalb?
Ich spüre mein Kopf explodiert. Warum die Fragen? Warum denn nicht? Es ist so wichtig, nicht die Augen zu verschließen. Es ist alles so groß. Es erdrück mein Herz, mein inneres. Leere breitet sich aus. Wo ist das Licht? Aber es scheint doch die Sonne? Ich fühle mich trotzdem wie im Dunkeln.
Alles was ich weiß ist, nicht alles wird gut.
—
Ich will es ändern. Ich will was tun – doch was nur?
Ich und alle hier mit mir haben Sachen gesehen, die unvorstellbar sind.
Dann lasst es uns sichtbar machen. Lasst es nicht vergessen. Lasst es nicht vergehen.
Weil wer vergisst, der vergibt und das dürfen wir nicht zulassen.
Lisa, Klasse 10